
Wann küsst mich die Muse?
Die Künstlerin Margit Heuser hat zu einer Blogparade aufgerufen und fragt:
„Wann bist Du am kreativsten und was wird da entfacht?“
Falls Du nicht weißt, was eine Blogparade ist, kannst Du das bei mir HIER nachlesen.
Der erste Teil der Frage von Margit erscheint mir recht handfest, der zweite dagegen fast poetisch.
Ich fühl mich mal rein, taste mich ran, entlang der tiefer gehenden Fragen von Margit.
Ich glaube, dass uns oft wirklich nicht bewusst ist, dass wir kreativ sind oder würdest Du Dein tägliches Zubereiten der warmen Mahlzeit spontan und frei heraus als kreativen Akt bezeichnen?
Ich gebe zu: Ich nicht. Und doch ist kochen nicht bloßes, vermeintlich emotionsloses, Handwerk, um zu essen, weil mans eben muß, um nicht zu verhungern. Kochen ist durchaus kreativ-und wenn Du eben statt Rosenpaprika geräuchertes Rosenpaprika an Dein Gulasch machst. Du bist von der „Norm“ abgewichen, hast experimentiert, bist kreativ gewesen. Und nun stell Dir mal vor, Du gibst weil es schmeckt und auch noch hübsch ausschaut, einen Klacks Schmand mit auf den Teller und garnierst den mit sowas wie einem Petersilienblättchen. ZACK Kreativität-unbemerkt, hat gar nicht weh getan 😉
Wie gesagt, stehe ich auch nicht mit dem bewussten Kreativitätsgefühl in der Küche. Auch nicht, wenn sich mein erwachsenes Kind zum Geburtstag meine Version der „Petterson und Findus Geburtstagstorte“ wünscht.

Ich mach dann halt mal eben.
Bewusst kreativ bin ich in meinem „Studio“ klingt echt professionell und dramatisch, grins. Es ist schlicht mein völlig überladener und bedauerlicherweise noch unaufgeräumter Spitzboden. Im Sommer eine Sauna, im Winter eher ein Iglu und doch: Wenn die Zugangsklappe zu ist, dann entsteht ein Zauber um mich herum, der mich ganz einnimmt, mich ganz und gar durchdringt.

Da oben unterm Dach ist es wie in einer anderen Welt. Nicht wegen der chaotischen Umstände. Nein. Wenn die Klappe zu ist, dann bin ich wie in einem Vakuum. Es ist dort gaaaaanz still. Da oben kommt wirklich gar kein Geräusch an. Es ist kaum zu beschreiben. Klappe zu und ich bin ganz und gar bei mir. Es ist eine ganz besondere Stille um mich herum und in mir und ich entknittere irgendwie, ganz unabhängig vom Wochentag oder irgendeiner Uhrzeit. Nur ich, mit mir, bei mir.
Dabei komme ich nicht immer direkt mit einem Ergebnis wieder hinunter und in die Welt. Ich bin weder mit einer Technik noch mit einem Genre verheiratet. Ich gebe mir die Freiheit mir und meinen Gedanken, Bedürfnissen, dem Flow zu folgen. Und ich liebe diesen Prozess.
Das bringt mich allerdings zu dem Punkt, dass ich verflixt wenig Platz hab und das ist oft problematisch, weil manche Dinge einfach reifen müssen oder auch Trocknungszeiten brauchen. Ich darf also wirklich zu sehen, Ordnung in Spitzboden zu kriegen. Momentan scheint das allerdings noch recht aussichtslos. Einfach weil es durch Care-Arbeit und eigene gesundheitliche Probleme weder Regelmäßigkeit noch Verlässlichkeit für all diese Dinge gibt. Manchmal hadere ich damit sehr. Umso mehr, dass gerade wenn ich ich selbst wieder einmal liege, mir richtig gute Ideen kommen, die ich dann gerade nicht umsetzen kann.
Und dann ist es beim figürlichen Arbeiten auch noch so, dass schweres Gerät in der Werkstatt im Keller ist. Dort werden manche Sachen erst vorbereitend bearbeitet, bevor es dann damit ins Vakuum-Studio geht.

Schreiben allerdings, kann ich da oben nicht. Das hat schlicht praktische Gründe. Erstens habe ich nicht genug Platz und zweitens nur einen Laptop, den ich eben, wie jeder andere Mensch, auch für andere Dinge brauche, als zu arbeiten.
Aber auch mein Schreibplatz variiert. Jahreszeitenabhängig ist er mal zwischen Wohnzimmer und Esszimmer und manchmal im Schlafzimmer.

Letztes im Winterhalbjahr, weil im Sommerhalbjahr der Sonneneinfall an den Rollos vorbei mich einfach zu sehr blendet, um noch irgendetwas am Bildschirm zu erkennen. Aber ich bin dort eben mehr abgeschirmt vom lärmenden Alltag und das hat für mich echt Charme. Deshalb wechsele ich dann Anfang September wieder ins Schlafzimmer.

Was ich nicht gut kann ist mit dem Skizzenbuch unterwegs sein. Ich weiß, viele gestaltende KünstlerInnen und AutorInnen beklagen die Einsamkeit ihres Schaffens. Das geht mir nicht so. Ich krieg schon Erpelpelle, wenn ich „nur“ draußen Fotos mache. Ich möchte für mich sein, für mich arbeiten, bei mir sein. Vielleicht, weil mein Leben ansonsten so voll ist.
Ich bin da sehr bei dem Essay „Ein Zimmer für mich allein“ von Virginia Woolf. Und auch bei einem Zitat von Anne Morrow Lindbergh aus ihrem Buch „Muscheln in meiner Hand„:
Denn eine Frau zu sein bedeutet, dass die Interessen und Pflichten, wie die Speichen einer Radnabe vom Muttertrieb in alle Richtungen ausgehen. Unser Lebensmuster entspricht im Grunde einem Kreis, wir müssen nach allen Himmelsrichtungen hin offen sein: Mann, Kinder, Freunde, Heim, Gemeinde und jeden Lufthauch, jeden Anruf, der auf uns zu kommt wie ein ungeschütztes ausgespanntes Spinnweb registrieren. Wie schwierig ist es da für uns in mitten all dieser widerspruchsvollen Spannungen das Gleichgewicht zu halten und doch wie notwendig, damit unsere Lebensfunktionen stimmen. Wie wichtig und wie schwer zu erreichen ist jene Stetigkeit, die uns alle Regeln für ein heiligmäßiges Leben predigen. (…)
Ich glaube das beschreibt am Besten, warum ich mein persönliches Vakuum, das Zimmer für mich allein, ganz dringend brauche-auch wenn ich aus eigenem Antrieb mich gegen eine Partnerschaft entschieden habe. Ansonsten tob das Leben eben doch sehr mit all seinen Herausforderungen, denen mich zustellen mich gleichsam erfüllt und Freude bereitet, mich aber auch sehr erschöpft.
Ja, ich hätte einerseits gern mehr Zeit für meine Kreativität. Andererseits glaube ich, dass ich jeden Tag kreativ bin, ohne es zu merken. Vielleicht ist deshalb ein Weg, erst einmal achtsamer mit mir und meiner Zeit umzugehen und vor allem wahrzunehmen, welche meiner scheinbar routinierten, täglichen, vermeintlich seelenloser Handlungen doch eigentlich ein Fünkchen Kreativität in sich tragen.
Wie ist das bei Dir?
Wann bist das letzte Mal kreativ gewesen? Denke dabei auch an die Küche… 😉 und lass es mich in den Kommentaren wissen.
Wir lesen uns.
Good Vibrations.
SAM
