Über Glaube, Gnade und stillen Widerstand
SAM´s Samstags-Story
Hab ich mich eigentlich je auf meinem Blog politisch geäußert? Ich denke nicht. Trotzdem tue ich es heute bewusst-ich kann nicht mehr anders.
Auslöser dafür ist ein Insta-Posting von mir gewesen. Eine sehr besondere Predigt von einer mutigen Bischöfin, die sich damit direkt an den amtierenden amerikanischen Präsidenten wandte. Etwas weiter unten hab ich sie Dir eingefügt, damit Du weiß, von was ich hier spreche, denn ich bekam dazu folgende Worte zugesannt:
Ich lese in diesen Zeilen schon fast Resignation und irgendwie auch etwas Opferhaltung. Und das ist für mich nicht nur schade sondern es triggert mich sehr.
In drei Wochen steht in Deutschland eine außerordentliche Bundestagswahl an und mir wird Angst und Bange, wenn ich die Umfragewerte sehe. Als Frau, als Alleinerziehende, als Mutter, als Behinderte, als Mensch.
Die Welt brennt. Nicht nur in Deutschland. Der Rechtsruck ist mehr als deutlich spürbar. Selbst hier im sonst so beschaulichen Niedersachsen, in der Fußgängerzone von Wolfsburg, der Stadt, die mir als Landpomeranze räumlich am dichtesten ist, hat es bereits Übergriffe gegeben. Und vielleicht hätte ich mich hier gar nicht dazu geäußert, aber ich habe, wie gesagt, die Predigt der Bischöfin Mariann Edgar Budde gehört, wie sie versucht Präsident Trump beim Gottesdienst ins Gewissen zu reden:
So weise, klug gewählte Worte voller Wärme. Wenn Du nicht die ganze Rede hören möchtest, dann spitz die Ohren ab Minute 12:24. Mir kommen so sehr die Tränen. Wieviel Mut diese Frau doch aufgebracht hat. Ohne Gebrüll und Machtgehabe steht sie da und spricht aus, was die Herzen der Menschen, die Mensch geblieben sind und nicht verblendet und gefügig gemacht mit Geld und Druck, bewegt.
Ich bewundere die Bischöfin unglaublich für diesen leisen und doch lauten Widerstand, für die Liebe und die Kraft in ihren Worten. Sie haben mich dazu inspiriert, ebenfalls aufzustehen. Mutig zu sein. Worte zu finden und sie auszusprechen, denn auch Deutschland bewegt sich auf -noch- düsterere Zeiten zu und ich frage mich täglich:
Haben wir denn nicht aus der Vergangenheit gelernt?
Sehen wir nicht, dass wir ohne den Nachbarn, den wir Ausländer schimpfen, untergehen?
Wer wird unsere Alten und Kranken pflegen, wer die dringend notwendige Operation durchführen, wer bei der Ernte dringend benötigter Lebensmittel helfen und wer wird sie in LKWs in die Supermärkte bringen?
Wir „bio-Deutsche“ , was für ein Unwort, allein?
Hast Du einmal beim Spargelstechen geholfen und gespürt, welch unglaublich anstrengende Arbeit das ist. Und das zumeist unterirdisch schlecht bezahlt und weit weg von zu Hause in Baracken wohnend?
Pflegst Du die Tick-Tack-Omi, die völlig verwirrt den Blumenkübel mit dem WC verwechselt?
Wirst Du Dein Kind vestoßen, nur weil es jemanden liebt, der nicht in DEIN Weltbild passt?
Wirst Du Dein Kind weg geben, weil es mit einer Behinderung geboren wurde und wer wird es denn dann dort betreuen?
Wo wirst Du thailändisch Essen gehen, weil es doch im Urlaub so gut geschmeckt hat, wenn nicht beim „Ausländer“?
Und bist Du nicht eben in dieses „Ausland“ gereist, um andere Menschen, Länder und Kulturen kennen zu lernen und bist genau dort dann ebenfalls „Ausländer“ gewesen?
Ist Deine Oma möglicherweise in der NS-Zeit vor dem Krieg, dem Hunger und der Gewalt geflüchtet und war auch irgendwo „die Fremde“, die trotzdem beim Aufbau eines neuen Deutschlands geholfen hat? Übrigens: Meine schon. Und zwar alleinerziehend mit drei Töchtern, Trümmerfrau, Akkordarbeiterin in der Konservenfabrik und in einer Baracke lebend mit Plumpsklo auf dem Hinterhof für Unzählige, denen es ebenso erging.
Versteh mich nicht falsch: Ich finde es unglaublich, das PolitikerINNEN sagen, wir Frauen sollten doch bitte nicht im Dunkeln und kurzem Rock auf eine Party gehen, weil das den ausländischen und anders gläubigen Menschen hier als Provokation anspringt und wir uns dann bei Übergriffen möglichst entspannen sollten. Da kommt mir doch die Galle hoch!
Wer, aus welchen Gründen auch immer, sich dazu entschließt seine Heimat zu verlassen, der soll ja seine Kultur und Identität nicht aufgeben, aber muss sich den Gepflogenheiten dieses Landes anschließen. Und die Mehrheit tut das in meinen Augen auch.
Für diejenigen, die Integration ablehnen und das fängt für mich damit an, dass man die Landessprache lernt, muß es Regelungen geben, aber alle per se über einen Kamm scheren, weil sie nicht „bio-deutsch“ sind, ist für mich ungerecht und wenn man weiter denkt, siehe oben, auch für Deutschland ein gefährlicher Rückschritt.
Deshalb: Geh am 23. Februar wählen. Informiere Dich vorher über die Parteien und Menschen, die danach streben, dieses Land und damit auch Dich, zu regieren und aus welchen Beweggründen sie das wollen. Und dann: Wähle weise!
Und sei gnädig mit denen, die der Masse, dem Geld, der Gewalt so blind folgen. Ich bin nicht bibelfest aber irgendwo steht „vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“
Ich hab hier einen Textauszug für Dich
Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun – der erste Satz am Kreuz. Da war Jesus von seinen engsten Weggefährten verraten worden, von seinen besten Freunden und Vertrauten verleugnet und verlassen worden. – Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Die religiöse Elite, kluge Köpfe, ernsthaft Gläubige hatten Jesus einhellig zum Gotteslästerer erklärt und zur Vollstreckung der Todesstrafe ausgeliefert an die feindliche Besatzung, ihren eigenen Mann. – Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Da hatte der römische Machthaber Pilatus den Weg des geringsten Widerstands gewählt und sich dazu mit seinem alten Feind verbündet, um einen offenkundig Unschuldigen feige zu entsorgen – den Mörder und Verbrecher ließ er laufen. – Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Da hatten die Soldaten ihn gequält und gedemütigt – ein unnötiger, menschenverachtender Zeitvertreib. – Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Und nachdem die Menge anfangs noch für Jesus ihre bunten Gewänder auf den Weg gebreitet hatten – Hosianna, König – hatten sie ihm nun das letzte Stückchen Stoff und Schutz genommen und ihn bloßgestellt, im Todeskampf nackt und jeder Würde beraubt. – Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Das Lästern, Spotten, Giften, Johlen, Nachtreten auf einen, der sowie so am Boden liegt, aufs Kreuz gelegt. Nicht mal mehr jetzt ein Funken Menschlichkeit – oder ist gerade diese Häme typisch menschlich? – Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! …
Dieses Zitat stammt aus einer Predigt der ev. Kirchengemeinde Brühl . Es erfasst wirklich gut, was ich sagen will und erwähnt sogar den James-Dean-Film, der auch mir dazu eingefallen ist, mit dem gleichnamigen Titel „...denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Beides sehr zu empfehlen!
Ich will daran glauben, dass die Menschen aufstehen.
Ich will daran glauben, dass die Menschen gelernt haben.
Ich will daran glauben, dass die Menschen mutig genug sind, nicht der Herde zu folgen, nur weil es populärer, einfacher, schicker ist.
Ich will daran glauben, dass viele leise laute Worte des Widerstandes gesprochen eine Welle werden, die die Welt mit Liebe und Gnade überflutet.
Ich will daran glauben, dass, wenn ich auch nur einen Menschen da draußen mit dem Blog erreiche, ich die Welt ein klein wenig besser gemacht habe.
Wir lesen uns.
Good Vibrations.
SAM